Warum der deutsche Mittelstand Tech-Riesen wie Amazon im B2B-Plattformgeschäft voraus ist.
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Amazon, Ebay, Zalando und Co, so weit der Mausklick reicht – im Konsumgüter-Geschäft, aus dem das Plattform-Modell stammt, haben die großen Betreiber den E-Commerce-Kuchen verteilt. Kleineren Unternehmen bleiben nur Krümel. Im B2B-Geschäft sieht das anders aus: Dort punktet der als eher konservativ geltende, deutsche Mittelstand, dort wandeln sich Traditionsunternehmen zu Digital-Pionieren.
Schraubenhändler Frantos etwa hat zum richtigen Zeitpunkt erkannt, worauf es im E-Commerce komplexer Produkte ankommt. Der Mittelständler aus Bayern hat gemeinsam mit 3m5. schon 2016 ein Einkaufsportal aufgebaut, das heute rund zwei Drittel des Gesamtumsatzes erwirtschaftet. Und ging damit voraus: Denn in einer Bitkom-Umfrage haben damals noch 55 Prozent der befragten, deutschen Unternehmer angegeben, mit dem Plattform-Begriff nichts anfangen zu können, 29 Prozent hielten Plattformen gar für irrelevant. Laut Frantos-Geschäftsführer Dr. Matthias Winter gab es zwar weitere Schrauben-Shops, aber keine, die Usability bei der Bestellung im Blick hatten. "Wir haben das als Lücke im Markt und Chance für uns erkannt." Selbst als Marktinsider war der Weg zur Plattform kein Spaziergang: Schrauben sind, wie die meisten B2B-Produkte, ein komplexes, spezielles Produkt. Ein Standard-E-Commerce-Modell wie für Konsumgüter – gutes Produktfoto, Bullettpoints zur Info, Käufe anderer Kunden als Inspiration – funktioniert nicht. Der Teufel liegt im Detail – beziehungsweise: darin, trotz unzähliger Details die Übersicht zu behalten. Frantos bietet zum Beispiel Schrauben an, die zig Varianten in Durchmesser, Größe und Material aufweisen, dazu kommt die DIN-Norm, die Anwender beachten müssen.
3m5. entwickelte deshalb eine in der Programmierung komplexe, für den Nutzer extrem übersichtliche Produktmatrix und einen speziellen Preisschieberegler, der ermöglicht, alle Produkte mit nur wenigen Klicks auch einzeln zu kaufen. Dazu kommt eine E-Procurementanbindung für das Warenwirtschaftssystem der B2B-Kunden. Aktuell verkauft Frantos mit seiner Plattform zu 60 bis 70 Prozent an Geschäftskunden. Für die Zukunft plant Geschäftsführer Winter einen großen Sortimentsausbau und will in weitere europäische Märkte expandieren.
Dass ihm dabei Amazon oder eine andere, branchenfremde Großplattform Konkurrenz macht, hält er für unwahrscheinlich: "Im B2B-Geschäft bekommen es auch die etablierten Tech-Riesen mit komplexen Herausforderungen und erklärungsbedürftigen Produkten zu tun. Das ist etwas anderes, als T-Shirts oder Büroklammern übers Netz zu verkaufen."
Diese Meinung teilt Winter mit Mittelständlern anderer Branchen, das zeigt sich deutlich an den Aktivitäten im B2B-Plattformgeschäft – Beispiele sind die Baumaschinenplattform Klarx, die Chemie-Plattform Chemondis und Xom, eine Plattform für den Einkauf von Stahl, Metall und Kunststoff. Auch die aktuellen Bitkom-Zahlen signalisieren den Wandel: 2019 verzichteten laut Umfrage nur noch 20 Prozent der Mittelständler auf eine Plattformstrategie. Bitkom-Präsident Achim Berg sagte dazu auf dem Digitalgipfel: "Digitale Plattformen sind viel mehr als ein zusätzlicher Vertriebskanal, sie verändern die Wirtschaft grundlegend und stellen sie auf völlig neue Beine."
Eines schauen sich Frantos und Co von den E-Commerce-Riesen allerdings ab, und das ist die Nutzerfreundlichkeit. "Einkaufsplattformen für Industrieprodukte dürfen sich nicht mehr damit rausreden, wegen komplexer Produkte keine Usability bieten zu müssen", sagt Aleksandra Heidecke, UX-Expertin bei 3m5. "Nutzer fordern eine bequeme Customer Journey, unabhängig davon, ob sie gerade privat T-Shirts kaufen oder im Betrieb Schrauben." Neben dem Branchenwissen fehlt Amazon und Co noch etwas Wichtiges fürs B2B-Geschäft: Vertrauen. Das hat der deutsche Mittelstand oft in mehreren Jahrzehnten des traditionellen Vertriebs gewonnen. Schraubenhändler Frantos etwa kaufte 2014 das Bamberger Traditionsunternehmen Nastvogel und damit mehr als 35 Jahre Reputation und Wissen über Schrauben, Dübel, Anker. – In Internet-Zeit gemessen ein kaum aufholbarer Vorsprung gegenüber den Plattform-Riesen.
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