Wenn der Chef als Letzter kommt und als Erster geht
Geschäftsführer Michael Eckstein, gerade mit seiner Tochter in Elternzeit, erklärt, wie Worklife-Balance bei 3m5. aussieht und wie er mit weniger Arbeitszeit 20 Prozent Wachstum erreicht.
Bei meiner Tochter nehme ich diesmal ingesamt viereinhalb Monate Elternzeit, die Hälfte ist inzwischen rum. Meine Frau und ich sind beide zuhause, aber ich übernehme gerade den Großteil der Aufgaben, gehe mit meiner Tochter einkaufen, zum Krabbelkurs und zum Babyschwimmen. Denn ein Aspekt ist, dass ich sie nach den zehn Monaten, die sie sie nun allein mit dem Baby zu Hause war, entlasten möchte.
Der andere Grund ist, dass Eltern nie wieder so engen Kontakt zu ihrem Kind aufbauen können wie in dieser Zeit. Später geht das Kind in den Kindergarten oder die Schule, es gibt also keine wirkliche Möglichkeit abseits des Urlaubs, wirklich 24 Stunden mit seinem Kind zusammen zu sein. Den Draht, den man so aufbaut, verliert man nicht so leicht wieder, das merke ich auch bei meinem Sohn, der inzwischen im Kindergarten ist, und mit dem ich mir ebenfalls damals Elternzeit genommen habe.
Nicht, wenn man sich eingestehen kann, dass man nicht unersetzlich ist. Wer das in seiner Entwicklung als Chef schon begriffen hat, macht sich und dem Team vieles leichter, nicht nur in Bezug auf Auszeiten. Es gibt viele Bereiche bei 3m5., für die es mich nicht braucht, weil andere sie genauso gut oder sogar besser betreuen können. Ich war vor fünf Jahren für einen Monat in Südafrika und hatte damals keinerlei Kontakt mit der Firma, trotzdem war alles prima. Wir haben 3m5. so aufgebaut, dass die Chefs nicht zwingend vor Ort sein müssen. Ich beantworte zur Zeit zwar hin und wieder Mails, aber praktischerweise kümmere ich mich zum Großteil um strategische Projekte. Bei denen verändert sich in vier Monaten nicht gleich die Welt.
Alle.
Ich war der erste Vater, und für mich stand das immer fest. Damit habe ich ein Stück weit den Weg bereitet, weil so die Mentalität klar war. Nach mir haben alle werdenden Väter auch Elternzeit genommen.
Das ist vollkommen unterschiedlich und flexibel. Wir lassen jedem Mitarbeiter den Freiraum, den er braucht – und zwar in beide Richtungen. Jeder kann seine Arbeitszeit aufstocken oder heruntersetzen. Übrigens nicht nur wegen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sondern weil modernes Arbeiten für uns generell so aussieht. Einer unserer Entwickler, der single ist, hat kürzlich auch entschieden, lieber nur 30 Stunden pro Woche zu arbeiten.
Eine direkte Folge meiner ersten Elternzeit war, dass ich meine Anwesenheitsstunden in der Firma reduziert habe und mehr von Zuhause aus arbeite. Ich bin normalerweise von 10.00 bis 16.30 Uhr da. So halte ich die Waage aus Arbeits- und Familienzeit, und das ist unglaublich wichtig, um in beiden „Welten“ das Beste geben zu können. Wie jeder Unternehmer haben auch wir nach unserer Gründung 60 Stunden in der Woche gearbeitet, auch am Wochenende, sechs Jahre lang.
Hätte mir damals jemand gesagt „In ein paar Jahren wirst du mit Hund im Schlepptau um zehn auf Arbeit kommen, mit ihm eine Mittagsrunde an der Elbe laufen und nachmittags dein Kind vom Kindergarten abholen“, hätte ich gelacht.
Ich beobachte in Bezug auf 3m5. zwei Effekte dieses „neuen“ Arbeitsmodells: Erstens beginnt man, Gespräche und Co effizienter zu führen. Eine Beförderung klappt in 15 Minuten prima, da muss ich nicht noch eine dreiviertel Stunde schön drumrum reden. Auch Meetings sind jetzt kürzer, gleichzeitig aber fokussierter.
Zweitens: Meine Einstellung zur Arbeit wirkt sich elementar auf die Einstellung des Teams aus. Wenn ich als Chef als Letzter komme und als Erster gehe, wird den Mitarbeitern schnell klar, dass ich Worklife-Balance ernst nehme und sie es demnach auch dürfen und sollen. 3m5. tut diese Einstellung gut. Unsere Umsätze steigen seit fünf Jahren um 20 Prozent.
Wir wachsen also stetig, obwohl ich weniger arbeite, zeitlich gesehen. Und obwohl auch das restliche Team mit seinen 40 Wochenstunden, und auch mal weniger, gut durchkommt. Das zeigt meiner Meinung nach deutlich, dass ausgeglichene Mitarbeiter die gleiche Arbeit in weniger Zeit schaffen.
Oh, und drittens vielleicht noch: Ich habe eine Studie gelesen, die besagt, die soziale Kompetenz eines Chefs steige, wenn er eine Tochter bekäme (lacht). Was ich auf jeden Fall bestätigen kann, ist, dass eine Tochter, die die ganze Zeit lacht und einen anstrahlt, wirklich verdammt cool ist.
Bei uns steht schon in der Vision, dass wir sie anstreben. Konkret heißt das: 20 Prozent Wachstum, aber eben mit einer 40 Stunden Woche. Allein das finden viele absurd. Aber es funktioniert.
Wir erleben alles „in Familie“. Das beginnt damit, dass jedes Event, außer unser Mallorca-Urlaub, mit den Familien gemacht wird. Also: Wenn wir mittags spontan grillen, wenn wir WM gucken, wenn wir Weihnachtsfeier haben, dann immer mit Kindern und Partnern. Wir kennen deshalb auch alle 16 „3m5.-Kinder“. Ich nehme zum nächsten Agenturmeeting zum Beispiel meine Tochter mit, denn auch das ist Teil der Mentalität: Wenn Kinder ab und zu mit auf Arbeit kommen, etabliert sich das Gefühl, dass das „normal“ und willkommen ist.
Dazu kommt, dass wir Führungspositionen nicht nach Arbeitszeiten vergeben. Denn ob jemand Abteilungschef ist oder nicht, hat nichts mit der Anzahl seiner Stunden, sondern mit Führungsverantwortung und Charisma zu tun.
Urlaub kann bei uns über zwei Jahre aufgespart werden, und wir sind offen für verschiedenste Modelle in Sachen längere Urlaube nehmen und Co. Ich glaube, für Führungspersonen ist das Wichtigste, zu verstehen: „Du musst nicht bei jeder Entscheidung die Nase reinstecken und jede Präsentation mithalten. Du bist ersetzbar – und das ist gut so.“
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